Sonntag, 19. August 2012

10:07:49

Acht Tage ist es her, seit ich im Hudson River geschwommen, auf dem Palisades Parkway gestrampelt und über die George Washington-Bridge zum Riverside Park gelaufen bin. Es war wie erwartet ein langer und harter Tag, aber auch ein unvergesslicher.

Tagwache war bereits um 02:30. Das war zwar ungemütlich früh, aber aufgrund der weit entfernten Wechselzone eben auch nötig: Kurz nach 03:15 fuhren die Busse vom Hotel an die Ferry Station, von wo es um 04:00 per Fähre in die Wechselzone ging. Nach einem letzten Bike-Check, einer Banane, einem halben Muffin und zwei Toitoi-Besuchen ging es wiederum mit der Fähre zur Startbrücke, von wo ich ziemlich genau um 07:07 die 140.6 Meilen in meine Hände bzw. unter meine Füsse nahm.

Zwischen diesem Moment und meiner Überquerung der Ziellinie im Riverside Park lagen genau 10 Stunden, 7 Minuten und 49 Sekunden. Knapp 608 Minuten mit einem ständigen Auf und Ab - topografisch und mental.

Hatte uns die Topographie im Schwimmen noch zu wohl nie mehr erreichbaren Schwimmzeiten (in meinem Fall nur knapp über 40 Minuten) geholfen, liess sie uns danach teuer dafür bezahlen: Sowohl Rad- als auch Laufstrecke zeichneten sich durch ein ständiges Auf und Ab aus. Nicht, dass man das nicht gewusst hätte, schliesslich standen die Streckenprofile zur Verfügung. Aber so ein Hügel sieht auf einem schön dargestellten Streckenprofil eben halt doch lockerer aus, als wenn man nach über 8 Stunden Wettkampf bzw. 2.4 Schwimm, 180 Rad- und 25 Laufkilometern davor steht. Meiner Meinung nach beschreiben die Worte von Jordan Rapp, dem Sieger bei den Profis, die Schwierigkeiten der Strecke ziemlich treffend:

"When I first saw the fast swim time, I thought, 'maybe I’ll break 8 hours.' Then, on that second trip back into that headwind on the bike, I revised my goal to, 'maybe I’ll just try and set a best time.' And, then, after making the trip to the first turnaround at about 3.75 miles into Palisades Park, I revised my goal again to, 'maybe I’ll just worry about actually finishing.'"

Seine Sorge bezüglich Finishing zielte auf das Profil der Laufstrecke, welches es doch ziemlich in sich hatte: 
Direkt nach dem zweiten Wechsel stand als erste Kostprobe ein ca. 400m langer Anstieg an. Dieser brachte uns auf die 7 Meilen-Runde, die zweimal gelaufen werden musste und es nicht minder in sich hatte: rauf und runter, rauf und runter, ohne wirklich flache Abschnitte, dafür mit dem Dykman Hill, der uns - sowohl auf dem Hin- als auch auf dem Rückweg geschätzt 500m langen, steilen Anstieg bereit hielt. Nach etwas mehr als 14 Meilen durfte man die Rundstrecke hinter sich lassen und den Weg nach Manhattan unter die Füsse nehmen. Die Überquerung der George Washington-Bridge war dabei aus zweierlei Hinsicht ein Highlight: Der Blick auf den Big Apple liess das Leiden für einige Momente in den Hintergrund rücken und die ersten wirklich flachen Meter liess die Beine nochmals etwas flüssiger laufen.

Mental hatte ich mich auf einige der härtesten Stunden in meinem bisherigen Leben einzustellen versucht. Primär hatte ich dabei an den Stunden zwischen dem zweiten Wechsel und der Ziellinie gedacht, nicht aber daran, dass ich mich im Wasser unwohl, in der ersten Wechselzone schlecht und auf den ersten vier Kilometern auf dem Rad wirklich miserabel fühlen würde. Und auch nicht daran, dass ich noch auf dem ersten 90 Kilometern auf dem Rad zum ersten Mal in meinem Leben einen Penalty für Drafting erhalten würde. Ein Penalty, der im entsprechenden Moment zugegebenermassen gerechtfertigt war weil ich tatsächlich zu nah aufgeschlossen hatte. Ein Penalty aber auch, der mit Blick auf einige hundert andere Teilnehmer aber durchaus hätte diskutiert werden können.

Nachdem ich alle topografischen und mentalen Hügel hinter mir gelassen hatte, stand der einsame Höhepunkt an: Die letzten 400m durch den Riverside Park, gesäumt von vielen Zuschauern und akustisch untermalt von legendären Mike Reilly, der auch mich mit den Worten begrüsste
YOU ARE AN IRONMAN!







Es waren die Worte, auf die ich mich seit Monaten gefreut hatte. Denn unabhängig von Zeit und Rang wollte ich bei meinem ersten ganzen Ironman immer vor allem eines: Die Ziellinie erreichen. Dass ich bei meinem Debut über die lange Strecke die magische 10 Stunden-Grenze auch auf einer nicht ganz einfachen (selbstverständlich abgesehen vom Schwimmen!) Strecke um gerade mal acht und einen Kona-Slot um lediglich 20 Minuten verpassen würde und dass ich mich dabei auch noch innerhalb der Top 100 unter über 2500 Teilnehmern klassieren würde, hätte ich nach meinem ersten Halb-Ironman vor vier Jahren nicht zu träumen gewagt.

Somit gehen einige tolle Monate zwischen Phuket, Singapore, der Kraichgau und dem Zürichsee zu Ende. Viele Liter Schweiss sind zwar geflossen und einige Trainingseinheiten haben mich echt ans Limit gebracht. Aber: It was worth it!

Zum Abschluss bleiben nur noch drei Dinge:
  • Ein riesiges Dankeschön an mein Mami und meinen Papi, auf die ich nicht nur hier zu Hause immer zählen kann, sondern die mich auch nach New York begleitet und dort so gut wie möglich unterstützt haben.
  • Thank you Jan and Hannie for joining our family trip to the big apple, more than exciting to have a swiss-dutch fan connection
  • Ein ebenso grosses Danke an Maureen, die mich in den letzten Monaten immer wieder angetrieben und manchmal auch gebremst, aber immer unterstützt und mir in New York einen grossen Teil Nervosität abgenommen hat.

Freitag, 10. August 2012

T - 1: Watch out for Bib 1162

In ziemlich genau zwölf Stunden werde ich mich also auf die 140.6 Meilen bis zum Riverside Park in Mannattan begeben. Dass es sich tatsächlich um 140.6 Meilen handeln wird, und nicht "nur" um 138.2, ist seit heute Nachmittag - glücklicherweise - auch klar. Anscheinend sind vorgestern Mittwoch, irgendwo 40 oder 50 Kilometer nördlich der George Washington-Bridge einige Liter mit Chlor angereicherte Fäkalien in den Hudson River geflossen. Eigentlich nicht ganz überraschend, wenn man bedenkt, wie gut es um die amerikanische Infrastruktur bestellt ist. Und doch hat das Ganze für einige Unruhe gesorgt: Die Organisatoren wollen kein Risiko eingehen und die Gesundheit der Teilnehmer nicht gefährden, vielen Teilnehmern wäre es aber anscheinend egal gewesen, in - sagen wir mal: Wasser von zweifelhafter Qualität - zu schwimmen.

Ich für meinen Teil bin sehr froh darüber, dass wir in den Genuss aller drei Disziplinen kommen werden. Nicht nur weil der Ausfall des Schwimmens mich meiner Stärke beraubt hätte, sondern vielmehr, weil ich mir das Ziel gesetzt habe, einen ganzen Ironman zu absolvieren, im schlimmsten Fall auch mit einer 30km langen Wanderung am Ende. Ein Wettkampf aber, der "lediglich" aus 112 Meilen Bike und 26.2 Meilen Run bestanden hätte, wäre zwar ein langer und harter Wettkampf gewesen, aber eben kein Ironman.

Der langen Worte kurzer Sinn: Morgen ist es endlich soweit! Ich freue mich auf den Startschuss und kann die Finishline kaum erwarten. Dazwischen werden einige lange und harte Stunden liegen. Gute Nacht.

Mittwoch, 8. August 2012

T - 3: New York, New York!

Heute geht es mit dem Swiss-Flug LX 16 nun also endlich über den grossen Teich. Der Koffer steht bereit, das Velo ist verpackt, Web Check-In ebenfalls erledigt. Somit gibt es an dieser Stelle für heute nicht mehr viel zu sagen. Ausser vielleicht:

Montag, 6. August 2012

T - 5: The Work is Done!

Der 11. August nähert sich nun in grossen Schritten: Am letzten Donnerstag und Freitag beschäftigten sich die Spezialisten von Lerch Cycle Sport um mein weisses Canyon indem sie neue Collés aufzogen und auch sonst alles bicobello einstellten und vorgestern Samstag stand das letzte wirklich schweisstreibende Training auf dem Programm.

Da das eigentliche Ziel des Tages darin bestand, um pünktlich um 10:00 trainiert und geduscht den Sitzplatz vor dem TV einzunehmen und - quasi als psychische Vorbereitung - den olympischen Frauen-Triathlon von London zu geniessen, nahm ich mir den ganzen Spass bereits für den frühen Morgen vor.
Das schöne dabei: Obwohl die Sonne erst gerade aufgegangen war, konnte ich einmal mehr auf die Unterstützung von Ironnonno Sandro Angelastri zählen.

Es gibt zwei Gründe, weshalb ich das hier erwähne:

1. Meinen ersten Eintrag an dieser Stelle machte ich vor ziemlich genau sechs Monaten, nachdem ich ebenfalls mit Sandro das letzte winterliche Schwimmtraining im Hallenbad Langnau am Albis absolviert hatte. Ein schöner Kreise also, der sich schliesst.

2. In den letzten vier Jahren durfte ich Sandro auf unzähligen Kilometer begleiten. Zu Beginn mehrheitlich am Hinterrad und vornehmlich im roten Bereich, mittlerweile gelegentlich auch mal vorne und auch immer häufiger mit einem Blick für die Umgebung. Während und neben diesen Trainings konnte ich von Sandro auch so viel lernen, dass ich eigentlich so ziemlich alles, was ich rund um Velos und Radtrainings weiss, von ihm erfahren habe (Zugegeben: Er weiss auch einiges mehr übers Schwimmen als ich). Merci Sandro! 

Donnerstag, 2. August 2012

T - 9: Objective Finishline!

Langsam aber sicher hat sich der grosse Tag angeschlichen: Nur noch sechs Tage bis der Swiss-Flug LX16 meine Eltern, Maureen, mich und - auch nicht ganz unwichtig - mein weisses Canyon von ZRH nach JFK transportiert und nur noch neun Tage bis ich auf der Startbrücke des ersten IM in bzw. um New York City stehen werde.

Auf dem Weg dorthin hat sich ein hübsches Sümmchen Trainingsstunden angesammelt in welchen ich eine stattliche Zahl an Kilometern geschwommen, gestrampelt und gelaufen bin. Ich habe fleissig meine Rumpfkraft trainiert und sogar ein wenig auf meine Ernährung geachtet, habe lange Trainings absolviert und kurze, harte und lockere, schnelle und langsame, solche mit Hügeln und Bergen und immer wieder auch flache. Ich habe im Käpfnach bei 10 Grad und steifer Bise gefroren und in Thailand bei 36 Grad geschwitzt, ich habe gelitten und genossen, still vor mich hin geflucht und laut (manchmal auch über mich selbst!) gelacht.

Das alles hat geholfen, dass ich mich in meinem Leben noch nie so fit gefühlt habe wie im Moment. Doch wie sehr mir das Ganze am 11. August, auf 140.6 Meilen zwischen der Startbrücke im Hudson River und der Finishline im Riverside Park helfen wird, wird sich zeigen. Mein Respekt ist gross, sehr gross sogar, denn 140.6 Meilen sind mehr als 2x70.3. Es wird ein sehr langer und sehr harter Tag, ich erwarte Momente, Gefühle und Gedanken, die ich eigentlich gar nicht erwarte. Darum steht trotz all des seriösen Trainings keine Zeit und auch kein Rang im Mittelpunkt, sondern ganz einfach die Finishline. Sie ist nicht nur das Ziel, sie ist auch mein Ziel.

Stay tuned about the Ironman U.S. Championship. Here.